17.11.2020 | LOGFILE Leitartikel 44/2020

Ein- und Ausschleusen von Materialien

5 Min. Lesezeit | von Dr. Christine Oechslein

 

Alle Materialien und Gerätschaften werden über Materialschleusen in die grauen bzw. weißen Bereiche ein- bzw. ausgeschleust.

 

Ausnahmen:

  • Dokumente mit maximal 250 Seiten Umfang dürfen über die Personalschleuse ein- und ausgeschleust werden. Umfangreichere Papierdokumente, Aktenordner, Handbücher, technische Dokumentationen, u. ä. müssen über die Materialschleuse eingebracht werden, wo sie sorgfältig entstaubt werden. Generell sind im Produktionsbereich Dokumente in digitaler Form zu bevorzugen, sofern verfügbar.
  • Laptops und Mobiltelefone (keine Privat-Telefone!) dürfen über die Personalschleuse ein- und ausgeschleust werden. Beim Einschleusen müssen Touchscreens, Tastaturen und Gehäuse (falls verwendet, auch Netzteile und externe Mäuse) mit den bereitstehenden Feucht-Desinfektionstüchern „PC-Sani-Wipes“ gereinigt werden.
  • Analysen- und Rückstellmuster in geschlossenen Euroboxen bis Größe 5 (20 l) dürfen über die Personalschleuse ausgeschleust werden – nicht jedoch eingeschleust!

Nur in der Materialschleuse stehen die erforderlichen Utensilien, wie Staubsauger, Wischlappen, Sprühflaschen u. a. bereit, mit denen die Oberflächen von Materialien und Gerätschaften vor dem Einbringen in die höhere Reinheitsklasse gereinigt werden können. Daher ist die Mitnahme von Gegenständen durch die Personalschleuse in der virtuellen Firma Maas & Peither Pharma GmbH auf Papierdokumente beschränkt, und zwar in so kleinem Umfang, wie es in etwa dem Umfang einer Chargendokumentation entspricht.

Besonders Papier und Kartonagen bergen die Gefahr, große Mengen Partikel und Staub einzubringen – daher sollte wo immer möglich – Kartonage in klassifizierten Bereichen gänzlich vermieden und statt dessen gut reinigbare Normbehälter und Palettenaufsätze mit glatten Oberflächen verwendet werden.


Einschleusen von Schwarz nach Grau

  • Die Behälter, Materialien oder Geräte werden unter der Staubabsaugung abgestellt.
  • Soweit möglich, wird das äußere Verpackungsmaterial entfernt, z. B. Schrumpffolien, Kartonagen u. a. Umverpackungen. Dabei dürfen jedoch Hygienefolien nicht beschädigt werden!
  • (Original-)Verpackungen, (Original-)Gebinde, Behälter, Geräte und Maschinen werden sorgfältig von anhaftendem Staub und Schmutz befreit.
  • Zur Reinigung ist im ersten Schritt der Staubsauger zu verwenden.
  • Anschließend sind die Oberflächen mit dem bereitstehenden Desinfektionsmittel zu reinigen (Isopropanol 70 % oder „Saniwell Fläche“).
  • Paletten aus der schwarzen Zone dürfen nicht in die graue oder weiße Zone eingebracht werden. Das Material wird nach der äußerlichen Reinigung auf Reinraumpaletten umpalettiert, die stets in der grauen/weißen Zone verbleiben.
  • Das fertig gereinigte und umpalettierte Material wird von einem Mitarbeiter in Reinraumkleidung entgegengenommen und in die angrenzenden Korridore bzw. Bereitstellungslager oder Werkstätten (graue Zone) gebracht.
  • Die in der Materialschleuse zurückbleibenden Umverpackungen, Paletten usw. werden nach schwarz ausgeschleust und der Boden unter der Staubabsaugung mit dem Staubsauger gereinigt. Eine Nassreinigung der Materialschleuse erfolgt bei sichtbarer Verschmutzung durch das einschleusende Personal sowie einmal täglich nach Reinigungsvorschrift durch das Reinigungspersonal.  

Materialschleusen unterscheiden sich sehr stark in ihrer Größe und Ausstattung – je nach Übergang, den sie bezwecken. Daher sind auch die hier aufgelisteten Maßnahmen nur als Beispiele für sinnvolle/notwendige Aspekte der Reinigung zu verstehen – keinesfalls jedoch als universell gültige oder gar abschließende Liste. Welche Maßnahmen im konkreten Falle erforderlich sind, muss sich am jeweiligen Zonenübergang und der vorhandenen Ausstattung orientieren.

Es ist zweckmäßig und empfehlenswert, Reihenfolge und Gebrauch der vorhandenen Ausstattungselemente, wie Staubabsaugung, Staubsauger, Entstaubungstunnel, Luftvorhänge, Durchschiebetore, Sauberlauf- und Desinfektionsmatten usw. explizit vorzuschreiben und nicht dem Belieben der jeweils agierenden Mitarbeiter zu überlassen. Keinesfalls sollte es schließlich passieren, dass Materialschleusen als bloße „Durchreichen“ fungieren, durch die die Materialien völlig unverändert hindurchgeschoben werden!


Ausschleusen

  • Fertigware und im klassifizierten Bereich nicht mehr benötigtes (Verpackungs-)Material wird aus dem Herstellungsbereich über die Materialschleuse ausgeschleust.
  • Auch Geräte, Maschinen(-teile) und Abfälle werden über die Materialschleuse ausgeschleust.
  • Anbruchgebinde und bedrucktes Packmaterial, die nicht zur Vernichtung bestimmt sind, werden mit Plastiksäcken (Produkt Nummer 123‘23123) vor Verunreinigung während der anschließenden Lagerung geschützt. 
  • Ware bzw. Maschinenteile werden von der Reinraumpalette auf Kunststoff- oder Aluminiumpaletten umpalettiert. Die Reinraumpalette verbleibt in der grauen Zone in der Bereitstellungszone. 
  • Ware, Einsatzstoffe und Verpackungsmaterialien werden anschließend gemäß Lagerschein umgebucht.
  • Alle Waren und Materialien, die aus der Schleuse ausgebracht wurden, müssen vom agierenden Mitarbeiter sofort an ihren Bestimmungsort (z. B. Lager, Abfalllager, Labor, Werkstatt) transportiert werden. Zwischenlagerung in oder vor der Schleuse ist nicht erlaubt.
  • Für die weitere Behandlung von Abfällen gilt SOP-621 „Abfallkonzept“.

Schleusen dienen dazu, unterschiedliche Reinraumklassen luftseitig sicher zu trennen und den Material- und Personalübergang zu steuern. Sie selbst sind jedoch nicht als „Reinraum“ im engeren Sinne zu sehen (denn dort wird ja nicht produziert!). Um die Druckdifferenz und die Integrität des reinen Bereichs während des Zu- und Abgangs aufrecht erhalten zu können, müssen ihre Lüftungssysteme dennoch so ausgelegt sein, dass im at-rest-Zustand die Reinheitsklasse des angrenzenden Reinraumes erreicht wird.

Auch eine derart ausgelegte und qualifizierte Lüftung kann natürlich nur effizient arbeiten, wenn sie im Arbeitsalltag korrekt benutzt wird. Um das zu erreichen, müssen einerseits möglichst konkrete Vorgaben (in SOPs!) formuliert werden und andererseits ist der praktische Ablauf vor Ort zu trainieren und zu prüfen. Das kann auch im Rahmen einer „Validierung des Einschleusens“ erfolgen. Eine mögliche Vorgangsweise dazu: ein „worst case“-Szenario (maximaler Personen- oder/und Materialdurchfluss) wird definiert und die Umwandlungsvorgänge in der Personal- bzw. Materialschleuse gemäß SOP durchgeführt. Am Ende/vor Übertritt in den reinen Bereich wird die Luftpartikelzahl in der Schleuse gemessen. Sollte der für die angrenzende Zone erforderliche Reinheitsgrad noch nicht erreicht sein, dann muss entweder die maximale Personenzahl/Materialmenge reduziert werden oder die Zeitspanne bis zum Eintritt in die Sauberzone durch eine Türverriegelungen automatisch gesteuert oder durch eine Uhr (Compliance der Mitarbeiter erforderlich!) kontrolliert werden.

Wenn sich Parameter (Raumeinrichtung, Lüftungsanlage, Anzahl Personal und Material usw.) an diesem Szenario ändern, ist eine Revalidierung notwendig.

 
Christine Oechslein

Autorin

Dr. Christine Oechslein
Freiberufliche GMP-Trainerin
E-Mail: c.oechslein@gmp-praxis.de

 

SOP 504 Zonenkonzept und Zutrittsberechtigung



Haben Sie Hygienezonen und Materialflüsse in Ihrer Firma klar definiert und den Zutritt zu klassifizierten Bereichen eindeutig geregelt? Welche Anforderungen an Ausstattung, Belüftung, Bekleidung, Reinigungsfrequenz und Monitoring stellen Sie an die einzelnen Reinheitsklassen?

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